“Musik braucht Drama!” Ein wenig blass sieht Ville Valo aus, als wir ihn zum Interview in einem Kölner Hotel treffen. Dennoch büßt der inzwischen 36-jährige HIM-Frontmann nichts von seiner charismatischen Präsenz ein, die ihm und der Band spätestens seit ihrem Über-Hit „Join Me“ eine gigantische Fangemeinde eingebracht hat. Mit “Tears On Tape” steht nun das achte Album der finnischen Love-Metaller in den Regalen. Warum die Studioarbeit acht Monate auf Eis lag und warum Essen vor Konzerten ein absolutes No-Go für ihn ist, verriet Ville exklusiv im Interview.
Von Nicole Feybert
Ville, Glückwunsch zum neuen Album! Ihr wurdet in der Zwischenzeit sehr von euren Fans vermisst … Ville Vale: Danke! Ja, das letzte Album ist eine Weile her. Aber wenn du versuchst, ein gutes Album zu machen, braucht es schonmal seine Zeit.
Du sprichst etwas deutsch, stimmt das? Ville: (auf deutsch und fast akzentfrei:) Ein bisschen!
Nicht schlecht. Noch was? Ville: Schon, aber das meiste davon ist nicht jugendfrei (grinst). Als wir damals noch etwas mehr durch Deutschland getourt sind, war ich durchaus in der Lage, einer Konversation zu folgen - wenn es nicht gerade um Fachdiskussionen oder Ähnliches ging. Das mit dem Sprechen ist aber ziemlich kompliziert.
Vorab: Gibt es irgendeine Frage, die du so richtig leid bist? Ville: (überlegt) ... eigentlich nicht. Obwohl, warte, dieses abschließende „Gibt es für dich noch irgendetwas hinzuzufügen?“. (verzieht das Gesicht) Also das ist ja wohl die blödeste Frage der Welt.
Lass uns über „Tears On Tape“ sprechen. Welcher Song fängt für dich die Atmosphäre des Albums am ehesten ein? Ville: Es wäre grundsätzlich einfacher, die Zuhörer entscheiden zu lassen. Wir selbst sind dadurch, dass wir so lange daran gearbeitet haben, einfach „zu nah dran“. Wenn ich die Wahl hätte, würde ich sagen, „All Lips Go Blue“, das ist der zweite Song des Albums. Es war der erste Song, den wir fertig gestellt hatten während der Probe und der erste, der seinen Weg zu einem fertigen Song fand. Und als wir den hatten, führte uns das quasi zum Rest des Albums. Daher finde ich den Song sehr wichtig. Ich mag die Melodien, die Akustikgitarre darin, die Riffs, die HIM-artigen Akkorde, es hat alle Elemente des Albums vereint. Aber es dauerte ein paar Monate, bis wir in der Lage waren, es uns aus einer objektiveren Sicht anzuhören. Ich war beim Mixen involviert, beim Mastering, ich konzentriere mich auf eine Menge Details, kenne jeden Effekt. Für mich und die Band ist es schwer, das Album mit Ohren eines außenstehenden Fans anzuhören. “Join Me? Der beschissenste Song, den wir je gehört haben.” Wie schwierig war es, die Single(s) auszuwählen? Das ist ja ein wenig, wie das „Lieblingskind“ auszusuchen, oder? Ville: (lacht) Nein, nicht wirklich, uns war es fast egal, was nun die Single wird. Nachdem wir so eine lange Zeit am Album gearbeitet hatten, haben wir mit der Plattenfirma gesprochen, mit unseren Familien und Freunden, um herauszufinden, an welchen Song sie sich nach dem ersten Anhören am besten erinnern. So haben wir die Songs ausgesucht. Ich glaube nicht, dass es hier ein richtig oder falsch gibt. Ich habe damals zum Beispiel nie gedacht, dass „Join Me“ eine gute Single war. Wir hatten die erste Version fertig, die, die sich hier millionenfach verkaufte, aber die Plattenfirma hasste es. Sie sagten: „das ist der beschissenste Song, den wir je gehört haben.“ Kurz drauf war er Nummer 1. Und plötzlich hieß es dort: „Ja, das war unsere Idee. Da haben wir sofort dran geglaubt.“ Der ganze Kram. Es gibt da immer nette Unfälle. Und zu nah am kreativen Prozess dran zu sein, einen Song aufzubauen, macht es uns schwer, zu sagen „DAS ist der Song“! Es ist das Beste, die Leute entscheiden zu lassen.
Ja, da ist die Sache mit den Ländern: Ihr habt für die USA, Großbritannien und Deutschland drei verschiedene Singles ausgekoppelt. Sind die Geschmäcker so verschieden? Ville: Nicht unbedingt der Musikgeschmack, aber wir haben in den jeweiligen Ländern eine unterschiedliche Bandgeschichte. Und in Deutschland gibt es kein Rock-Radio. Härtere Gitarrenriffs haben dort keine Chance. Ist nun mal so. In den USA, die weitaus größer sind, hat man unterschiedliche Charts, Rock-Charts usw. Dort hat man diese Genres unterteilt, die Rockszene dort ist größer. Unser größter Erfolg dort war (überlegt) „(Rip Out) The Wings Of A Butterfly“, eine Rocknummer im 80´s-Style. Wir haben dort also eine ganz andere Historie als z.B. in Großbritannien. Das bekannteste Album dort ist „Love Metal“. Das zeichnet insgesamt ein ungefähres Bild, wie wir in den einzelnen Ländern wahr genommen werden und erklärt die Unterschiede. In Deutschland tendiert unser Plattenlabel eher zu Poplastigem, weil man damit mehr Radio-Airplay bekommt. Das ist Politik, aber wir haben nichts dagegen, denn wir sind stolz auf unser Album und was dabei herausgekommen ist. Daher ist uns relativ egal, welcher Song nun gewählt wird. Und um die Sache mal andersherum zu betrachten: Es gibt heutzutage nur wenige Alben, wo man sofort drei Singles auswählen kann.
Eine Handverletzung mit Folgen Während bzw. vor der Arbeit am Album gab es durch Gas´ Handverletzung eine existenzielle Krise bei euch. Ist er wieder 100 Prozent okay? Ville: Ja, seiner Hand geht´s wieder richtig gut. Bei seinem Kopf bin ich mir allerdings nie so sicher (grinst). Nein, er ist wieder okay. Es hat ca. acht Monate gedauert, das war schon ziemlich lange. Wir wussten nicht, ob er zurückkommen kann. Es gibt da einige Musiker und Sportler, deren Karriere durch so eine Verletzung beendet wurde. Wenn du einen Teil deines Körpers überbelastest, kann es sein, dass er sich nie wieder erholt. Gas hat also ziemliches Glück gehabt. Und wir damit auch. Aber es hat schon wahnsinnig lange gedauert – Monat für Monat für Monat musste er zu den Ärzten rennen. Es war mühsam. Wir wollten loslegen, und alles was wir tun konnten, war: warten!
Nun, es standen nur zwei Alternativen zur Wahl: ein neuer Drummer oder die Auflösung der Band. Ville: Richtig. Das wäre aber erstmal pure Spekulation gewesen, denn noch waren wir ja nicht in der Situation.
Aber man denkt über diese Situation nach, oder nicht? Ville: Ja, schon. Wir sind alle in der Band Freunde, die gemeinsam groß geworden sind. Lass es mich so formulieren: Wenn mir etwas passieren würde, wenn ich auf der Straße überfahren würde, oder ich aus irgendeinem Grund nicht mehr singen könnte, würde das nicht heißen, dass der Rest der Band aufhört zu existieren. Sie würden weitermachen, mit Band oder ohne, sie machen das, was sie tun müssen. Man kann sich nicht dermaßen abhängig machen. Es würden sich verschiedene Möglichkeiten ergeben. Wir haben abgewartet und geschaut, ob es ihm besser geht. Nur um ganz sicher zu gehen. Es wäre ziemlich kompliziert gewesen, einen neuen Drummer zu suchen, mit ihm am Album zu arbeiten, um dann zu sehen, ob Gas es vielleicht doch noch schafft, später die Tour mitzuspielen. Das wäre schon etwas seltsam gewesen.
“Etwas essen vorm Gig? Das kommt sofort wieder hoch.” Deine Songs handeln von Liebe, Tod, Sünde und Schmerz. Was ist die Faszination für dich daran? Ville: Ich denke, dass Kino und Musik dramatisch sein müssen, dieses “Larger Than Life”. Daft Punks neue Single „Get Lucky“, ist z.B. gut fürs Partymachen und um sich ein paar Ecstasypillen einzuwerfen (grinst) - aber ich mag Alben, die quasi dein Leben begleiten, deine Vorstellungskraft wecken, so wie gute Bücher es tun. Oder, um bei Filmen zu bleiben, wie „Vertigo“ von Hitchcock. Es ist schön, Musik zu machen, die einen begleitet und bei einem bleibt. Beim Arbeiten daran ist es wichtig, diesen Sinn für Drama zu haben. Leben, Liebe, Tod, das sind alles starke Wörter, was sind die Alternativen? Politik, Religion, das berührt mich persönlich nicht. Das ist für mich uninteressant.
Du liest sehr viel. Inwieweit hat z.B. das Thema eines Buchs, das du gerade liest, Einfluss auf deine Musik? Ville: Ich könnte es nicht in Prozenten ausdrücken, aber es ist nett, ein paar gute Zeilen stehlen zu können. Alles beeinflusst mich: Gespräche mit Freunden, die Natur draußen, die Filme, die du ansiehst, man saugt es auf wie ein Schwamm. Ich mag es, wenn der Song verschiedene Messages, auch an mich selbst, gibt. Ich zweifle viel, und da gibt es bei mir diese widersprüchliche Natur in Musik und Text. Ich mag das. Das ist wie ein David Lynch Film, wo man nicht genau weiß: Ist das jetzt gut oder schlecht oder irgendwas dazwischen? Es nimmt dir die Gewissheit.
Ich sehe gerade deine Marlboro Lights, du bist wieder rückfällig geworden. Wie viele sind´s denn pro Tag? Ville: Ich zähle sie nicht - aber offenbar nicht genug (grinst). Mal mehr, mal weniger. Ich weiß, ist keine gute Angewohnheit, aber es kontrolliert den Stress.
Sind dir auf der Bühne schonmal die Kippen ausgegangen? Ville: Ja, das ist schon passiert. Aber das Publikum fing an, mir welche auf die Bühne zu werfen. Ich weiß nicht mehr genau, wo das war … (überlegt) Nicht in Holland, in Italien! Da bekam ich eine, ich dachte das ist eine normale Gedrehte. War aber ein Joint. Verdammt. Da singe ich, ziehe dran und merke, das ist Marihuana. War aber eh der letzte Song … (grinst)
Und wie ist es vorm ersten Song? Da machte dir das Adrenalin bislang immer zu schaffen. Ehrlich: Bist du heute immer noch nervös vorm Auftritt? Ville: Ja, immer. Früher habe ich mich auch übergeben. Das Schlimmste, was du tun kannst, ist es, vorm Auftritt was Schweres zu essen. Höchstens Frühstücken geht. Ich habe heute gar nichts gegessen und werde das wohl auch bis zum Auftritt nicht tun. Eher danach. Mein Stoffwechsel spielt wegen des Adrenalins verrückt vorm Gig. Du rennst die ganze Zeit aufs Klo, und wenn du richtig was gegessen hast vorher – das kommt sofort wieder hoch. Das ist Nervosität. Eine Menge Leute die ich kenne, auch Schauspieler, bei denen ist es das Gleiche. Wir können nichts dafür, das sind die Nerven.
Vielen Dank für das Interview!
перевод на английский Shawn C. Wills (Endless Dark) Скрытый текст
Exclusive interview with HIM frontman Ville Valo
"Music needs drama!" Looks a little pale Ville Valo when we meet him for an interview in a hotel in Cologne. Nevertheless, the now 36-year-old HIM frontman loses nothing of his charismatic presence that has earned a huge fan base since their over-hit "Join Me" to him and the band. With "Tears On Tape" Now is the eighth album by the Finnish love metal band on the shelves. Why the studio was eight months on ice and why food is an absolute no-go for him before concerts, Ville revealed exclusively in the interview.
Feybert From Nicole Ville, congratulations on the new album! You have been sorely missed in the meantime of your fans ... Ville Vale: Thank you! Yes, the last album was a while ago. ., But if you try to make a good album, it takes its time ever you speak a little German, right? Ville: (in German and almost without an accent :) A bit! Not bad. Anything else? Ville is early, but most of it unsuitable for minors (grins). When we then toured Germany through a little more, I was quite able to follow a conversation - not just when it came to technical discussions and the like. But that is speaking with quite complicated. Caveat: Is there any question that you're really sorry? Ville: (thinks) ... not really. Although, wait, this final "Is it for you or anything to add?". (Face contorts) So that's probably the dumbest question in the world. Lets talk about "Tears On Tape". Which song captures for you the atmosphere of the album most likely a? Ville: It would basically easier to let the audience decide. We are ourselves the fact that we have worked so long and hard, just "too close". If I had the choice, I would say, "All Lips Go Blue", which is the second song on the album. It was the first song we had completed during the sample and the first to find his way to a finished song. And when we had to, took us almost to the rest of the album. Therefore, I think this song is very important. I like the melodies, acoustic guitar in it, the riffs, the HIM-like chords, it combines all the elements of the album. But it took a few months before we were able to hear it from us a more objective view. I was involved in mixing, mastering, I focus on a lot of details, know each effect. For me and the band, it's hard to listen to the album with ears of fans outside.
"Join Me? The shittiest song we have ever heard. " How difficult is it to select the single (s) was? That's a little like the "favorite child" choose, right? Ville: (laughs) No, not really, to us it was almost regardless of what is now the single. After we had worked a long time as the album, we talked to the record company, with our families and friends to find out which song they remember best after the first listen. So we chose the songs. I do not think there is a right or wrong here. At that time I never thought, for example, that "Join Me" was a good single. We had finished the first version, the one that sold here a million times, but the record company hated it. They said, "this is the shittiest song we have ever heard." Shortly after, he was number 1 And suddenly there it was: "Yes, that was our idea. Since we have immediately believed it. "The whole shebang. There are always nice accidents. And too close to the creative process to be tuned to build a song, making it hard for us to say "THIS is the song"! ., It is best to let the people decide Yes, there's the matter of the countries that they have decoupled three singles for the U.S., UK and Germany. The flavors are so different? Ville: Not necessarily the music taste, but we have in each country a different band's history. And in Germany there is no rock radio. Harder guitar riffs there have no chance. Is how it is. In the United States, which are far greater, you have different charts, rock charts, etc. There you have divided these genres, the rock scene there is greater. Our biggest success was there (thinking) '(Rip Out) The Wings Of A Butterfly ", a rock number in the 80's-style. So there we have a very different history than for example in the UK. The best-known album there's "Love Metal". The total stands a rough picture of how we are perceived in the individual countries and explains the differences. In Germany, our record label tends towards Poplastigem, because it gets more radio airplay. This is politics, but we did not mind because we are proud of our record and what came out of it. Therefore, we really care what song will be chosen. And to make matters times to look the other way around: There are few albums where you can immediately select three singles today.
A hand injury with consequences
During or before the work on the album were by gas' hand injury an existential crisis with you. Is he back 100 percent okay? Ville: Yeah, it's back of his hand really well. In his mind, however, I'm never so sure (smiles). No, he's okay again. It took about eight months ago, that was pretty long. We did not know if he can come back. There are some musicians and athletes, whose career was ended by such a violation. If you are over loaded test a part of your body, it may be that he never recovers. Gas has therefore been quite lucky. And we thus. But it took a long time already insane - month after month after month, he had to run to the doctors. It was tedious. We wanted to get started, and all we could do was: wait! Now, there were only two alternatives to choose from: a new drummer or the dissolution of the band. Ville: Right. That would have been pure speculation but first, because we were not yet in the situation. But one thinks about this situation or not? Ville: Yeah, sure. We are all friends in the band, who are grown up together. Let me put it this way: If something would happen to me if I would run over in the street, or I could not sing anymore for some reason, would not that mean that the rest of the band ceases to exist. They would go on, with or without tape, they do what they need to do. You can not make yourself so dependent. Various possibilities would arise. We have waited and looked to see whether he gets better. Just to be sure. It would have been quite complicated to search for a new drummer to work with him on the album, and then to see if it might still creates gas, then play along the tour. That would have been a bit strange.
"Something to eat in front of the gig? Immediately comes up again. " Your songs are about love, death, sin and pain. What is the fascination you remember that? Ville: I think that cinema and music have to be dramatic, this "Larger Than Life". Daft Punk's new single "Get Lucky" is as good for partying and in order to interject a few ecstasy pills (grins) - but I like albums that virtually accompany your life, awaken your imagination, as good books do. Or, to stay with films like "Vertigo" by Hitchcock. It's nice to make music that accompanied one and remains at a. When it works, it is important to have that sense of drama. Life, love, death, all these are strong words, what are the alternatives? Politics, Religion, that does not affect me personally. That's not interesting for me. reads you very much. Example, to what extent has the theme of a book you are reading, influence on your music? Ville: I could not express it as a percentage, but it's nice to be able to steal a few good lines. Everything influences me, talking with friends, the outdoors nature, the movies you watch, it sucks it up like a sponge. I like it when the song different messages, even to myself, there. I doubt much, and there are with me this contradictory nature of music and text. I like that It's like a David Lynch movie where you do not know: Is that a good thing or bad or something in between? It takes away the certainty. I just see your Marlboro Lights, you're relapsed again. How many there for a day? Ville: I do not count them - but apparently not enough (smiles). Sometimes more, sometimes less. I know that's not a good habit, but it controls the stress. Are you on stage ever the butts out? Ville: Yeah, that's already happened. But the crowd began to throw me that on stage. I do not remember exactly where that was ... (thinks) Not in Holland, Italy! Since I got one, I thought this is a normal Turned. But it was a joint. Damn. As I sing, draw on it and realize that's marijuana. But it was always the last song ... (smiles) And as it is in front of the first song? Since you made the adrenaline always been to create. Honest: Are you still nervous in front appearance today? Ville: Yes, always. Previously I have also passed me. The worst thing you can do it in front appearance to eat what is heavy. Breakfast is at most. I have not eaten anything today and I will not do well also to the appearance. Rather then. My metabolism plays because of the adrenaline crazy gig in front. You run to the bathroom all the time, and if you've eaten something right before - that immediately comes up again. That's nervousness. A lot of people I know, including actors, where it is the same. We can not help it, these are the nerves. thank you for the interview!
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